News-Reader Biofleisch
von Edith Götz

Die Vermarktung von Edelstücken könnte tendenziell schwieriger werden

Birga Himburg, Allgemeine Fleischer Zeitung
In der nächsten Woche findet in Nürnberg wieder die Biofach statt, Fachmesse für ökologisch erzeugte Lebensmittel, Getränke und Non-Food-Produkte. Die Profis der Biobranche dürften einiges zu besprechen haben, gab es doch über viele Jahre auf dem Markt für Biolebensmittel nur eine Richtung: aufwärts. Auch das Biofleisch-Segment wuchs stetig, wenn auch auf niedrigem Niveau: Innerhalb der vergangenen zehn Jahre verdreifachte sich der Marktanteil laut GfK-Haushaltspanel auf 3,9 Prozent. Corona sorgte für einen regelrechten Run auf Fleisch und Wurst in Bioqualität, der jedoch im zweiten Halbjahr 2021 gedämpft wurde. Steigende Preise, Inflation, der Krieg gegen die Ukraine sorgten dafür, dass auch die Biokunden preissensibler konsumierten, und das seltener im Fachhandel, sondern vermehrt in Discountern und dem LEH.

Bäuerliche Strukturen.

Viel Gesprächsstoff also für die erwarteten etwa 40.000 Besucher und rund 2.800 Aussteller aus aller Welt. Vom Rande des Ruhrgebiets zieht es auch Christoph Dahlmann zur Messe, der als geschäftsführender Vorstand die Erzeugergenossenschaft Biofleisch NRW e. G. in Halle 7 (7-242) präsentieren wird.


„Wir haben wie viele andere auch turbulente Jahre hinter uns, wobei die letzten zwei Jahre noch einmal andere waren als die vorherigen", berichtet Dahlmann. „Die Genossenschaft hat aktuell 120 Mitgliedsbetriebe, die ihre Bio-Schweine, Bio-Rinder, Bio-Lämmer und Bio-Mastgeflügel gemeinschaftlich vermarkten." Die Betriebe aus dem Münster-, Rhein- und Sauerland wirtschaften alle nach den Richtlinien von Bioland, Naturland oder Biokreis. Geschlachtet wird bei regionalen Partnern, zerlegt und verarbeitet am Standort des Unternehmens in Bergkamen. Bei der Genossenschaft sind in den letzten zwei Jahren die Produktionskosten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ebenfalls gestiegen, begonnen beim Futteranbau über Energie bis hin zum Transport. Schwierig: Einerseits darf das Fleisch nicht zu teuer werden, um keine Kunden abzuschrecken - andererseits müssen Kosten gedeckt werden. Und zudem dürfe man „nie vergessen, dass hinter dem Fleisch ein Lebewesen steht, das gestorben ist", erinnert Dahlmann.Den 2000 qm großen Zerlege- und Verarbeitungsbetrieb bewirtschaftet die Genossenschaft gemeinsam mit der Neuland Fleischvertriebs GmbH - aus dieser ist die Biofleisch NRW vor mehr als 20 Jahren hervorgegangen. Monatlich werden hier etwa 100 Tonnen Fleisch- und Wurstwaren hergestellt, für Biofleisch NRW zum Beispiel mehr als 100 verschiedene Wurst- und Schinkensorten. Zu den Kunden zählen Bioläden und Einzelhändler, Kliniken, Kantinen, Restaurants. Zudem werden auch ganze Tiere oder Teilstücke an Metzgerbetriebe und die fleischverarbeitende Industrie geliefert.

Bei Neuland handelt es sich um ein Qualitätsfleischprogramm, welches zwar konventionell und nicht Bio-zertifiziert ist, sich aber eine besonders tiergerechte Haltung und den Erhalt bäuerlicher Strukturen auf die Fahnen geschrieben hat. Geschäftsführer der GmbH (Neuland West) ist ebenfalls Christoph Dahlmann. „Bei beiden Unternehmen wollen wir neben einer verbesserten Tierhaltung im Grunde drei Dinge: unsere Landwirte auskömmlich bezahlen, ebenso unsere Mitarbeitenden, und wir wollen natürlich auch Gewinn machen, um zum Beispiel bezüglich Investitionen zukunftsfähig zu bleiben." Dahlmann stellt klar, dass die Gewinnoptimierung aber nicht oberstes Ziel sei. „Wir müssen natürlich effizient arbeiten. Aber dass wir den Bauern 30 Cent weniger bezahlen, damit die dann bei uns hängenbleiben, so läuft das bei uns nicht." 

Reaktionen auf den Markt

Neuland wurde vor mehr als 30 Jahren gegründet, und von Beginn spielte auch die Gemeinschaftsverpflegung eine Rolle, darunter Kliniken, aber auch Kantinen oder Studentenwerke. Mit Pandemiebeginn fielen diese erst einmal weg.
„Das haben unsere anderen Kundengruppen, die Metzger und der LEH, dann aber erstaunlich schnell auf- gefangen", so Dahlmann, was auch daran gelegen habe, dass der Vertrieb etwa zur gleichen Zeit generell breiter aufgestellt wurde. „Viele kennen Neuland als ein originäres Metzgerprogramm. Aber wir wissen ja auch, welche Probleme die Branche hat", erläutert Dahlmann die Entscheidung, Neuland auch für die Frischetheken selbstständiger Händler zu öffnen. „Es gibt immer weniger Metzger, ob sie nun aus Altersgründen aufhören und keinen Nachfolger finden, kein Personal kriegen oder finanziell unter Druck stehen. Das geht uns in der Landwirtschaft ähnlich."

Genau wie Biofleisch NRW konnte auch Neuland während der Pandemie höhere Umsätze verzeichnen. „Bei beiden Unternehmen waren die prozentualen Zuwächse zweistellig, wie bei vielen aus der Lebensmittelbranche zu der Zeit. Ansonsten entwickelten sie sich aber recht unterschiedlich, was auch an der Kundenstruktur liegt.“
Während das Neuland-Programm sich als sehr stabil erwies, wurdeder höherpreisige Markt für Biofleisch NRW ab dem Spätsommer 2021 zäher, das zweistellige Wachstum konnte nicht fortgesetzt werden. „Doch diese vielfach kolportierten Einbrüche oder gar Zusammenbrüche haben wir hier nicht erlebt", so Dahlmann. „Einige Direktvermarkter und vor allem der Bio-Fachhandel, in dem wir mit Biofleisch stark sind, haben sicherlich Federn gelassen, das haben wir auch gemerkt. Aber da wurde in den Medien einiges ziemlich zugespitzt."

Mit Herkunft und Haltung punkten

Die gesunkene Konsumstimmung zeigt sich bei Biofleisch NRW in der Produktauswahl. Die Nachfrage nach Veredelungsstücken sei längst nicht mehr so rege, die nach Hack- und Verarbeitungsfleisch hingegen gestiegen. Der Anteil beträgt im Bereich Bio-Rindfleisch etwa 30 Prozent; im LEH mache Hackfleisch teils mehr als die Hälfte des Bio- Rindfleischs aus.
„Aber der Ochse, die Färse, der Bulle - das komplette Tier muss ja bezahlt werden. Man könnte natürlich das Verarbeitungsfleisch teurer machen“, sagt Dahlmann und lacht, „aber das bezahlt ja keiner mehr." Die Zukunft der Edelteile sieht Dahlmann daher in der Theke der handwerklich arbeitenden Metzger, wo das Fleisch entsprechend veredelt angeboten wird. „Kreativität, besondere Reifemethoden, damit können Metzger punkten.


"Hinsichtlich der seit 1. Februar geltenden Pflicht zur Herkunftskennzeichnung gibt Dahlmann zu bedenken, dass auch die regionale Herkunft des Fleisches etwas sei, womit sich die Fleischer-Fachgeschäfte vom LEH und Discounter abheben können. Zwar reicht es, jeweils das Land anzugeben, in demdas Tier aufgezogen und geschlach- tet wurde oder seinen „,Ursprung" hat (Geburt, Aufzucht und Schlach- tung). Darüber hinausgehende Angaben beispielsweise zu einer konkreten Region sind aber zulässig - sie sorgen für Transparenz und schaffen Vertrauen bei den Kunden. ,,Und Fleisch ist schließlich immer eine Sache des Vertrauens."Wenn ab September 2025 die staatliche Tierhaltungskennzeichnung in allen Theken sichtbar geworden ist, könne er sich gut vorstellen, dass Metzger, die Fleisch der Stufen 1 oder 2 anbieten, von einigen Kunden abgestraft werden. Mittlerweile erwarten sie neben einer guten handwerklichen Qualität bei ihrem Metzger auch das „bessere" Fleisch. Dahlmann: „Als Metzgerei-Kunde möchte ich etwas Besonderes bekommen. Etwas, womit der Metzger sich von der Supermarkttheke und den Discountern abhebt."


Essenziell dabei sei die Beratung an der Theke. Die Kunden sollen schließlich verinnerlichen, warum und wofür sie einen höheren Preis zahlen. „Das muss alles entsprechend kommuniziert und authentisch rübergebracht werden", weiß Dahlmann. Deshalb biete die Genossenschaft beispielsweise Beratungsangebote zur richtigen Vermarktung. „Diese Art der nachhaltigen Fleischerzeugung muss viel stärker in den Fokus der Kunden gerückt werden. Es geht nicht nur um Tierwohl, es geht auch um Nachhaltigkeit und eine auskömmliche, verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Produktion." So in etwa lautet auch das Motto der Messe Biofach: „Paving the path for a sustainable future", auf Deutsch:
„Den Weg für eine nachhaltige Zukunft ebnen."

Quelle: Allgemeine Fleischer Zeitung, 6/2024
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